Faschismus
Aus dem italienischen Fascismo, von fascio, "Rutenbündel"
dtv lexikon, Ausgabe 1978
Der Faschismus ist eine politische Bewegung, die nach 1917 in
Italien entsteht. Die Bewegung beruft sich unter anderem auf agrarrevolutionäre Vereinigungen der Landarbeiter, die sich bereits 1890 gebildet hatten und sich fasci rivoluzionari nannten.
Der einstige Marxist Benito Mussolini nahm 1915 den Ausdruck fascio für die "Interventisten" auf; 1919 gründete er in Mailand mit 40 Gefährten den ersten fascio di combattimento (Kampfbund).
Die faschistische Bewegung ist trotz des national- und sozialrevolutionären Anspruchs
in ihren Zielen totalitär, antiliberal, antidemokratisch und antiparlamentarisch, sie vertritt einen extremen Nationalismus, dem sich das Individuum bedingungslos unterzuordnen hat, verfolgt expansionistische Ziele, ihre Struktur ist autoritär und hierarchisch. Die faschistische Bewegung verstand sich auch als Gegenkraft zum italienischen Kommunismus. Ausserdem pflegt die faschistische Bewegung eine kultische Verehrung ihres Führers Mussolini, der sich zum "Duce" erklärte. 1921 bildete sich aus Mussolinis Kampfbund die Partito Nazionale Fascista (PNF). Innerhalb der PNF wiederum organisierte sich ein Wehrverband, die "Schwarzhemden" genannt, die die Straßen terrorisierten und Abweichler und politische Gegner verfolgten. Dabei kam es oftmals zu gewalttätigen Übergriffen.
In verschiedenen europäischen Ländern bildeten sich faschistische Bewegungen und Parteien nach italienischem Modell. In Spanien die Falange, in Rumänien die Eiserne Garde des Corneliu Codreanu, die Ustaschi in Kroatien, in Ungarn die Pfeilkreuzler, in Belgien die Rexisten von Léon Degrelle, in den Niederlanden ab 1931 die von Anton Adriaan Mussert gegründete Nationaal-Socialistische Beweging der Nederlanden (NSB), in der Schweiz bildete sich die Gruppe der Frontisten. Der Brite Sir Oswald Mosley gründete in Anlehnung an Mussolinis Kampfgruppe die Schwarzhemden. In Österreich gab es betont katholisch-autoritäre Gruppen wie die Vaterländische Front (1934-1938), die oftmals als "Klero-Faschismus" bezeichnet wurden. In Frankreich gab es die Bewegung des Oberst de la Roque, im Zweiten Weltkrieg die Miliz und weitere Gruppen.
Der totalitäre Nationalsozialismus in Deutschland teilte zwar viele Merkmale der faschistischen Bewegung (insbesondere das Führerprinzip), unterscheidet sich aber vor allem in seinem Antisemitismus, der über die Entrechtung der Juden in deren systematische Vernichtung mündet, ganz wesentlich vom italienischen Faschismus. Mussolini hielt auch an Monarchie und Kirche fest, für Hitler Ausdruck einer "konservativen Verfallserscheinung".
Auch nach 1945 gibt es verschiedene faschistische Diktaturen, vor allem in Mittel- und Südamerika sowie in anderen Ländern der südlichen Hemisphäre. Der argentinische Peronismus ist ideologisch mit dem Faschismus verwandt.
Im kommunistischen Propagandagebrauch wurden alle westlichen Demokratien mit dem Begriff Faschismus belegt. In der Studentenbewegung der 60er Jahre kam es zu einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung mit dem Faschismusbegriff. Bei dieser Theoriediskussion wurde zum einen auf die Faschismusstudien der Frankfurter Schule zurückgegriffen (z.B. Adorno: Studien zum autoritären Charakter), zum anderen aber oftmals der Faschismusbegriff des Parteikommunismus übernommen.
Quellen:
Bedürftig, dtv Lexikon; Faschismustheorien, in: Enzyklopaedie, Digitale Bibliothek, S. 1349 (vgl. EdNS, S. 458) Verlag Klett-Cotta.
www.idgr.de/lexikon/stich/f/faschismus/faschismus.html