ABB fordert 150 Mio. Euro von Ex-Chefs

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ABB fordert 150 Mio. Euro von Ex-Chefs

 
14.02.02 07:56
Von Sven Clausen, Zürich

Mit dem Industrieausrüster ABB fordert erstmals ein großer Konzern in Europa Pensionen in Millionenhöhe von früheren Vorstandsvorsitzenden zurück.

Joergen Centerman

Das schwedisch-schweizerische Unternehmen überraschte am Mittwoch mit der Mitteilung, die früheren Chefs Percy Barnevik und Göran Lindahl sollten zusammen umgerechnet 152 Mio. Euro zurückzahlen. Barnevik habe seit 1996 mehr als 101 Mio. Euro an Pensionen bekommen. An seinen Nachfolger Lindahl seien 57,5 Mio. Euro an Pensionen und anderen Bezügen geflossen. Das Geld wurde nach Auffassung der jetzigen Konzernführung unrechtmäßig ausgezahlt. "Der Verwaltungsrat wird eine Rückerstattung von Beträgen anstreben, die über die gängigen Verpflichtungen hinaus gezahlt wurden", sagte der ABB-Verwaltungsratsvorsitzende Jürgen Dormann, im Hauptberuf Vorstandschef des Pharmakonzerns Aventis. Dormann hatte erst Ende November Barnevik an der Spitze des Gremiums abgelöst, das etwa die Funktion eines Aufsichtsrats hat.

Der Schritt von ABB könnte den Umgang von Konzernen mit ehemaligen Vorstandschefs in Europa revolutionieren. Bislang galten die Bezüge der Pensionäre als unantastbar und wurden in der Regel nicht öffentlich gemacht. "Das hat eine absolut neue Qualität", sagte Christian Näser, Mitglied der Geschäftsleitung der Unternehmensberatung Kienbaum. Michael Kramarsch vom Vergütungsspezialisten Towers Perrin sprach von einer "absoluten Ausnahmeerscheinung".


Ende Januar hatte bereits der Aufsichtsratschef des Stahlkonzerns ThyssenKrupp, Gerhard Cromme, angekündigt, die Gehälter jedes Vorstands im Geschäftsbericht einzeln auszuweisen. Aktionäre hätten ein Recht auf mehr Transparenz. Cromme ist Mitglied des ABB-Verwaltungsrats.



Einigung angestrebt


Der Konzern teilte zur Begründung seines Schrittes mit: "Diese Zuwendungen wurden unter der Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Zustimmung durch den Verwaltungsrat ausgezahlt. Der Verwaltungsrat hat nunmehr festgestellt, dass die Zustimmungsprozesse für diese Bezüge ungenügend waren." ABB strebe eine Einigung mit Barnevik und Lindahl an. Barnevik, lange Jahre einer der mächtigsten Manager in Schweden, widersprach. Aus seiner Sicht seien alle Zahlungen rechtmäßig erfolgt. Der amtierende ABB-Vorstandschef Jörgen Centerman lehnte jeden weiteren Kommentar ab.

Die Attacke gegen die Ex-Chefs sorgt für weitere Unruhe bei ABB, das am Mittwoch erstmals seit dem Zusammenschluss von Asea und BBC 1988 einen Verlust meldete. Bei 23,7 Mrd. Euro Umsatz betrug der Fehlbetrag 691 Mio. Euro. Im Vorjahr hatte ABB noch einen Nettogewinn von 1,4 Mrd. Euro erzielt.

© 2002 Financial Times Deutschland
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Das Kapital: ABB spart zu spät bei Chefgehältern

 
14.02.02 08:11
Es muss einem Unternehmen schon ziemlich dreckig gehen, bevor es Geld von seinen ehemaligen Managern zurückverlangt.

Als Zeichen, dass sich ernsthaft bemüht, seine Corporate Governance zu verbessern, ist die Forderung positiv zu werten, dass die ehemaligen Konzernleiter Percy Barnevik und Göran Lindahl einen Teil ihrer Abfindung von 233 Mio. Schweizer Franken (190 Mio. $) zurückerstatten sollen. Dahinter lässt sich der Einfluss des neuen Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Jürgen Dormann, vermuten, der sich schon bei Höchst und Aventis für "shareholder value" eingesetzt hat, sowie des Schweizer Finanziers Martin Ebner, des mit zehn Prozent größten Aktionärs.

Aber es zeigt auch, dass ABB jeden Rappen braucht. Denn es geht der ehemaligen europäischen Paradefirma wirklich schlecht. 2001 ist der Gewinn zwischen der schlechten Marktlage und Rückstellungen wegen Asbest-Klagen, Restrukturierungskosten, Abschreibungen und Verlusten im Rückversicherungsgeschäft völlig zerrieben worden. Unter dem Strich kam ein Verlust von 691 Mio. $ heraus, der erste, seit ABB 1988 gegründet wurde. Wenn man von den ganzen Sonderposten die wirklich einmaligen wieder hinzurechnet, lag der operative Gewinn bei 667 Mio. $, ein Rückgang von 50 Prozent und ein Viertel unter den Erwartungen. Einziger Lichtblick war, dass die Schulden im vierten Quartal um 2,2 Mrd. $ auf vier Mrd. $ abgebaut wurden, nachdem ABB kräftig Bares aus dem Umlaufvermögen gepresst hat - was sich wohl nicht wiederholen lässt.

Nachdem viele Großkunden, wie Autohersteller und Ölkonzerne, weiterhin ihre Investitionen beschränken, fällt auch der Ausblick für 2002 relativ düster aus. ABB selbst erwartet flache Erträge und einen Anstieg der operativen Marge auf vier bis fünf Prozent von knapp einem Prozent im Vorjahr. Gemessen daran erscheinen die Unternehmensziele - einen jährlichen Umsatzwachstum von sechs Prozent und eine Marge von neun bis zehn Prozent bis 2005 - zu ehrgeizig. Barnevik wollte aus ABB Europas General Electric machen und wurde anscheinend auch nach US-Verhältnissen bezahlt. Die neuen Hausherrn, Centerman und Dormann, werden da sicher bescheidener sein. Wenn auch die Prognosen realistischer werden, würden sie das Vertrauen der Anleger schneller zurückgewinnen. Dann könnte sich die Aktie, die mit dem 13fachen des laufenden Gewinns notiert, mittelfristig steigen.

Aventis

Im aktuellen Marktumfeld ist es leicht, Euphorie zu verbreiten: Es reicht schon, wenn der Schein mal zur Abwechslung nicht trügt. Aventis hat gestern genau das geliefert, was man den Analysten versprochen hatte. Der Kurs stieg um fünf Prozent.

Kann man fast verstehen. Die Erben von Hoecht und Rhone Poulenc machen ihre Sache prima. Der Jahresumsatz ist um 15 Prozent gestiegen, der Gewinn gar um 38 Prozent. Das Unternehmen hatte gleich drei Kassenschlager mit über eine Mrd. Euro im Programm, und zwar das Allergiepräparat Allegra (1,76 Mrd. Euro), das Krebsmittel Taxotere (eine Mrd. Euro) und den Thrombose-Vorbeuger Lovenox (1,45 Mrd. Euro). Weil alle drei relativ neu sind, rechnet Aventis mit Umsatzwachstum auf jeweils drei Mrd. Euro in den bald folgenden Spitzenjahren für Allegra und Lovenox und auf zwei Mrd. Euro für Taxotere.

Einem Dämpfer könnte Lovenox durch das neue Arixtra von Sanofi erhalten. Indes weist Arixtra deutlich stärkere Nebenwirkungen auf. Allegra dagegen droht gleich in doppelter Hinsicht Gefahr. Erstens wurde am Dienstag Clarinex, ein Konkurrenzprodukt von Schering-Plough mit einem wesentlich breiteren Anwendungsspektrum genehmigt. Und zweitens ist in den USA ein Verfahren anhängig, an dessen Ende die Genehmigung von generischen Ersatzmitteln stehen könnte. Allerdings scheint Allegra rechtlich gut abgesichert. Insgesamt neun Patente schützen das Präparat. Das Verfahren wird mindestens bis 2004 dauern, bei einer Berufung sogar bis 2005 oder 2006.

Bis dahin sollen andere Wachstumsträger, wie das Kreislaufmedikament Delix, das Diabetesmittel Lantus und das Antibiotikum Ketek jeweils über eine Mrd. Euro einbringen. Außerdem dürfte Aventis mit Exubera um 2004 als Erster inhalierbares Insulin an den Markt bringen. Dank der breiten Produktpalette scheinen die operativen Risiken begrenzt.

Die Verkäufe von CropScience an Bayer , sowie der Tiermittelsparte, werden demnächst abgeschlossen. Auch das Plasmageschäft würde man mittelfristig gerne abtreten. Aventis hätte dann die nötigen Mittel für Übernahmen. Angesichts der hohen Pharma-Bewertungen ist das indes nicht unbedingt eine erfreuliche Aussicht. Auch bei Aventis selbst ist die Bewertung der größte Wermutstropfen. Das Unternehmen notiert mit dem 40fachen Gewinn. Dafür müsste der Gewinn tatsächlich bis 2004 um 30 Prozent jährlich steigern. Das wird, nachdem die Synergien aus der Verschmelzung bereits fast ausgeschöpft sind, ziemlich schwierig.


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