Chris Gent: Der König dankt ab

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Chris Gent: Der König dankt ab

 
26.07.03 12:55
Der König dankt ab
In besseren Börsenzeiten wurde Chris Gent "König der Dealmaker" gennant. Nun die letzte Vorstellung: Der Vorstandschef von Vodafone, dem größten Mobilfunkanbieter der Welt, tritt ab. Gent hat allerdings noch ein paar Rechnungen offen
von Peter Herkenhoff

Was die Zutaten sein werden, steht schon fest. Es sind immer die gleichen: Hornbrille, Hosenträger, Nadelstreifenanzug - die Basisausstattung für Chris Gent. Dazu vielleicht noch ein bisschen Wehmut, denn Gent hört auf, nächsten Mittwoch. Seit Tagen arbeitet der Vodafone-CEO an seiner Abschiedsrede für die Hauptversammlung. Der Chef des weltgrößten Mobilfunkers will sich stilvoll von seinen Aktionären verabschieden. Dazu gehören Hornbrille, Hosenträger, Nadelstreifenanzug.


Über Gent sagt Gent, dass er seine Mission erfüllt habe. Innerhalb von sieben Jahren machte er aus einer Klitsche einen Weltkonzern mit 120 Millionen Kunden. Die Queen machte ihn darum zum Sir. Dabei war es gar nicht Gent, der irgendwann Anfang der Achtziger Jahre die Vision hatte, dass eines Tages jeder mit einem Mobiltelefon herumlaufen würde. Diese Ehre gebührt Gerald Whent. Der überredete 1982 die Bosse des Rüstungsunternehmens Racal, für die erste britische Mobilfunklizenz zu bieten. Und erfand den Namen "Voice-Data-Fone". Chris Gent kam erst 1985 zu Vodafone.


18 Jahre spät geht er nun. Warum jetzt? Im Rentenalter ist der 55-jährige Gent noch nicht. Zudem hat er hat längst nicht alle Aufgaben erledigt. Offene Rechnungen hat Gent noch in Frankreich, wo Vodafone 2002 die Übernahmeschlacht um den Mobilfunkanbieter SRF verlor. Ausgerechnet auf dem nach Deutschland und Großbritannien drittgrößten europäischen Mobilfunkmarkt spielt die weltweite Nummer Eins weiter keine Rolle. Womöglich gibt es bei Gent private Interessen, er ist vor vier Jahren Vater geworden. Zudem hätte er mehr Zeit für seine ausgesprochen britischen Hobbys (Bentley und Aston Martin fahren, Tennis und Cricket spielen). Mancher indes meint, nach der Niederlage in Frankreich hätten die Großanleger schlicht eingesehen, dass Gents Zeit vorbei sei. Sie sollen dem "König der Dealmaker" empfohlen haben, einem hungrigen Nachfolger Platz zu machen, der viel von Technik versteht. Gent selbst, daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht, hat keine Ahnung von und keine Lust auf Technik: "Sie werden mich niemals irgendwo in einer Ecke eines Flughafens sehen, wie ich wild auf einem Laptop tippe."


Gent, 1948 in Gosport an der südenglischen Küste geboren, Halbwaise, Mittelstandskind, ohne Unidiplom, begann seine Karriere 1967 bei der National Westminster Bank. Er ging anschließend zu einer IT-Firma, dann zu einer anderen IT-Firma, war von 1977 bis 1979 Chef der britischen "Young Conservatives" und fing 1985 bei Vodafone an. Drei Jahre später erwirtschaftet die Mobilfunksparte bereits ein Drittel der Gewinne des Mutterkonzerns Racal. Noch im gleichen Jahr geht die Vodafone-Sparte an die Börse; 1991 wird sie von der Muttergesellschaft abgespalten.


Gent wird 1997 Chief Executive Officer bei Vodafone. Er krempelt das Unternehmen radikal um, verringert die Sparten, stärkt die Marke Vodafone, lichtet den Tarifdschungel. Zwei Jahre später gelingt ihm mit der Übernahme des amerikanischen Mobilfunkers Airtouch für 42,7 Mrd. Pfund das Gesellenstück. Seine Meisterprüfung legt Gent im Winter 1999/2000 ab.


Ein deutsches Unternehmen namens Mannesmann hat ihn herausgefordert: Der nach der Telekom zweitgrößte deutsche Mobilfunker will sich auf Vodafones Heimatmarkt breit machen und den britischen Mobilfunkanbieter Orange übernehmen. Gent erkennt die Gefahr. Er verblüfft die Mannesmänner und die Deutschen mit der teuersten feindlichen Übernahme, die das Land je gesehen hat. Als der Kaufpreis schwindelerregende 112 Mrd. Pfund erreicht, können die Großaktionäre nicht länger widerstehen. Gent schafft es, die Großanleger von der Idee zu begeistern, einen neuen Weltmeister zu zimmern. Vodafone soll die führende Mobilfunkmarke werden und irgendwann so bekannt sein wie Coca-Cola und McDonalds. Weil gerade wegen der Interneteuphorie die Bullen an den Weltbörsen tanzen, funktioniert diese Strategie prima. Statt Blankoschecks zu unterschreiben, zeichnen Fondsgesellschaften, Banken und Broker eine Kapitalerhöhung nach der anderen. An der Londoner Börse ist Vodafone irgendwann 280 Mrd. Pfund wert. Alle verdienen scheinbar. Die Zeche zahlt, wer zu spät einsteigt. Vor allem Kleinanleger.


Als im März 2000 in Großbritannien die Versteigerung der neuen UMTS-Lizenzen beginnt, kapieren die Märkte sehr schnell, dass Milliardenbelastungen auf die Branche zukommen. Profis fangen an, ihre Depots auszumisten. Die Telekomkurse beginnen eine zweijährige Talfahrt. Der "Dealmaker" Gent steht immer öfter in der Kritik. Innerhalb von weniger als zwei Jahren fällt der Titel von einst 400 auf nur noch 78 Pence.


Gent beschert seinen Aktionären den höchsten Verlust, den ein britisches Unternehmen je machte: Das Minus vom Mai 2002 liegt bei 13,5 Mrd. Pfund - doch die roten Zahlen stehen zum größten Teil nur auf dem Papier. Denn der clevere Gent hat die weltweite Einkaufstour überwiegend mit Vodafone-Aktien bezahlt. Die eigenen Papiere und die Firmenwerte zahlreicher übernommener Unternehmen sind wegen der Baisse an den Weltbörsen kräftig gefallen und müssen nun in der Bilanz berichtigt werden.


Mit Gent verliert die Mobilfunkindustrie ihren letzten Topmanager, der den Bullenmarkt Ende der 90er Jahre geprägt hat. So lange es an den Börsen lief, ging Gents Strategie auf. Als die Börsen wegbrachen, ging nichts mehr. Die Baisse kam für ihn ein, zwei Jahre zu früh. Immerhin bestimmt er den Zeitpunkt seines Abgangs selbst. Anders als Juan Villalonga (Telefonica), Peter Bonfield (British Telecom), Ron Sommer (Deutsche Telekom), Michel Bon (France Telecom), Graham Wallace (Cable & Wireless), Bernie Ebbers (Worldcom). Die wurden gegangen. Gent geht selbst.


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