in ihren Anfangsjahren noch von den Segnungen als ehemaliger Staatsmonopolist,
sieht sie sich nach der Phase rigiden Verteidigens ihrer Pfründe nun einer
unbarmherzigen Meute ausgesetzt, die täglich wächst und keinerlei Hemmungen
vor der Trägerin eines großen Namens hat.
Ob so die Basis für ein erfolgreiches Investment aussehen kann, muß füglichst
bezweifelt werden.
Das Ausmaß des Dramas verdeutlicht ein informativer Artikel, der aktuell in
FINANZEN.NET veröffentlicht wurde:
""Den Schuldenberg hat er abgebaut. Nun sollen auch noch 32000 Jobs und damit
Kosten wegfallen. Doch eine klare Wachstumsstrategie bleibt Telekom-Chef Kai-
Uwe Ricke Anlegern bislang schuldig. Dabei brennt es an allen Ecken und Enden.
Was er tun kann. - von Thomas Schmidtutz:
Easymobile veranstaltete ordentlich Wirbel. Ab sofort biete man Handy-Nutzern "supergünstige Preise", tönte Christian Winther, Deutschland-Chef des Mobilfunk-Discounters, anläßlich des Marktstarts am Mittwoch in Hamburg. Nur ein
paar Stunden später funkte der Wettbewerb schon dazwischen. Man habe "immer den günstigsten Mobilfunktarif", verkündete der Konkurrent Simply und senkte
prompt die Preise. Um homöopathische 0,5 Cent pro Minute unterbietet die Drillisch-Tochter nun den Newcomer, ein Gemeinschaftsunternehmen der dänischen
TDC und der britischen Easygroup.
So geht das inzwischen fast täglich. Egal wohin die Deutsche Telekom auch schaut: Überall heizt die Konkurrenz dem Magenta-Riesen mit Geiz-ist-geil-Angeboten ein. Beispiel Auskunftsmarkt: Jahrzehntelang hatten die Bonner gemeinsam mit Regional-
verlagen auf dem Gelbe-Seiten-Markt satte Monopolrenditen eingefahren. Doch nun
bedrohen Newcomer wie GoYellow oder Klicktel das einträgliche Geschäft. Beispiel T-Online: Vor kaum einem halben Jahr kassierte die Internet-Tochter satte 30 Euro
für den DSL-Zugang per Flatrate, also ohne Zeit- oder Volumenbeschränkung. Dann
rollten Herausforderer wie United Internet den Markt mit Tarifen unter zehn Euro
auf. Zähneknirschend mußte der Ex-Monopolist nachziehen.
Der anhaltende Preisverfall auf dem Telekom-Markt setzt den Bonnern immer
heftiger zu. Dazu verliert der Konzern praktisch überall Marktanteile. "Die
Situation der Telekom", resümiert Analyst Per-Ola Hellgren von der Landesbank
Rheinland-Pfalz (LRP), "wird von Monat zu Monat schlimmer."
Vor allem im Festnetzgeschäft spitzt sich die Lage zu. In Scharen kehren Nutzer
dem Fernmelder den Rücken: "Wir verlieren derzeit allein 100000 Kundenanschlüsse
pro Monat an die Konkurrenz", klagte Konzernchef Kai-Uwe Ricke gegenüber der Tageszeitung "Die Welt". Die Situation ist inzwischen so dramatisch, daß der
einstige Monopolist per Call-Center versucht, abtrünnige Kunden zum Bleiben zu
überreden – noch vor zwei Jahren undenkbar. Und selbst die, die ihren Anschluß
bei der Telekom behalten, telefonieren mit entsprechenden Vorwahlen lieber über
die Konkurrenz wie Teldafax, Maxbell Discount oder Clever25.
Aber die Herausforderer sind eben häufig billiger. Zudem sind viele Nutzer nach Jahrzehnten am Gängelband der Deutschen Telekom froh über jede Alternative:
"Viele sind die Telekom einfach leid", sagt ein Analyst. Vom ausbaufähigen
Service des Ex-Monopolisten ganz zu schweigen. Gleichzeitig neigen sich die
Zeiten, als der boomende Mobilfunk-markt dem Konzern Erleichterung verschaffte,
dem Ende zu. Zwar liefert die amerikanische Vorzeige-Tochter T-Mobile angesichts
des boomenden US-Markts noch schöne Zuwachsraten. Doch in Deutschland,
Frankreich oder England tobt längst ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb.
Und für den fälligen Netzausbau in den USA dürften demnächst Investitionen von
acht bis zehn Milliarden Dollar fällig werden.
Dazu kommt der Druck aus dem World Wide Web. Obwohl immer mehr Nutzer zu
Spottpreisen via Internet telefonieren, schaute die Telekom dem Treiben lange
Zeit tatenlos zu: "Die wollten halt ihr eigenes Geschäft nicht kannibalisieren",
sagt ein Branchenkenner. Mit fatalen Folgen. Im zweiten Quartal verkaufte
United Internet erstmals mehr DSL-Anschlüsse als T-Online. Jetzt bietet T-Online
ebenfalls Web-Telefonie, der Flatrate-Preis ist drastisch gesunken.
Zu allem Überfluß hat der Konzern auch bei der anhaltenden Marktkonsolidierung
das Nachsehen. Den bislang jüngsten Schlag setzte es vergangene Woche. Am Montag kündigte Telefonica-Chef Cesar Alierta die Übernahme der britischen O2 an.
26 Milliarden Euro in bar wollen sich die Spanier den reinrassigen Mobilfunkanbieter kosten lassen.
Ricke muß in die Tischkante gebissen haben. Denn kaum zwei Monate zuvor hatte
er gemeinsam mit der niederländischen KPN selbst die Übernahme von O2 betrie-
ben. Nach den Überlegungen wollten sich die Bonner das britische Mobilfunkge-
schäft von O2 sichern. Im Gegenzug hätte KPN den deutschen O2-Ableger
bekommen und ihn mit seiner Tochter E-Plus verschmelzen können. Eine Übernahme
von O2 durch die Telekom-Tochter T-Mobile wäre an kartellrechtlichen Hürden
gescheitert. Über ihren Partner KPN hätten die Bonner das Problem elegant
gelöst. Der Plan "war genial", lobt Analyst Hellgren. Doch am Ende platzte
der Deal, angeblich wegen unterschiedlicher Auffassungen in Bewertungsfragen.
Jetzt hat Telefonica zugegriffen. Wenn nicht noch ein Gegenangebot kommt,
soll der Zusammenschluß Anfang 2006 durch sein.
Die Bonner haben jedenfalls schon mal abgewunken. "Wir werden kein
Gegenangebot für O2 vorlegen", stellte Finanzchef Karl-Gerhard Eick am
Mittwoch klar.
Der Deal hätte weitreichende Konsequenzen: "Die haben demnächst einen großen Wettbewerber direkt vor der Haustür", sagt Theo Kitz, Analyst vom Bankhaus Merck
Finck & Co. Und gemessen an der Kundenzahl fiele die Telekom hinter Vodafone und Telefonica/O2 auf Rang 3 zurück.
Zwar könnte die Telekom und ihre Tochter T-Mobile auf dem heißumkämpften
deutschen Markt "kurzfristig durchaus von einer möglichen Verunsicherung bei
O2-Kunden profitieren", glaubt Dan Bieler, leitender Analyst beim Marktforschungsinstitut Ovum. Mittelfristig jedoch könnten O2 und Telefonica dem Platzhirschen zusetzen. Die deutsche Niederlassung der Spanier – Jahresumsatz
rund 300 Millionen Euro – habe sich hierzulande zuletzt auf Unternehmenskunden konzentriert und sei "gut unterwegs".
Auf diesen Kundenzugang könnte das Unternehmen demnächst mit O2 aufbauen.
"Wir werden in den nächsten Jahren ein immer stärkeres Zusammenwachsen von
Mobilfunk- und Festnetzangeboten, also sogenannter Konvergenz-Angebote,
sehen", so Bieler. Dazu gehöre etwa der verstärkte Zugang von Außendienst-
mitarbeitern von unterwegs per Laptop auf Daten in der Zentrale.
Entsprechende Angebote dürfte Telefonica künftig forcieren – und damit vor
allem die mit über zwölf Milliarden Euro Umsatz weitaus größere Telekom-
Tochter T-Systems treffen. In dieser Sparte hat der Konzern sein IT-Geschäft,
etwa die Beratung und Einführung von Soft- und Hardware-Lösungen für Firmen-
kunden, zusammengefaßt. "Die wären von einem Zusammengehen beider
Unternehmen wohl am meisten betroffen", warnt Analyst Bieler. Dabei hat die
Sparte angesichts wachsenden Preisdrucks der Wettbewerber schon so genug zu
kämpfen. Um die Kosten auf ein erträgliches Niveau zu kriegen, holt Ricke
jetzt zum Kahlschlag aus. Insgesamt 32000 Jobs will der oberste Fernmelder
bis 2008 konzernweit streichen, 5500 davon bei T-Systems. Weitere 20000
Stellen sollen im schrumpfenden Festnetzgeschäft um T-Com wegfallen. Dem
stehen 6000 Neueinstellungen gegenüber.
Die Radikalkur ist teuer. 3,3 Milliarden Euro läßt sich die Telekom das Streich-
konzert kosten. Ab 2008 könnte der Konzern so pro Jahr eine Milliarde einsparen,
schätzt LRP-Analyst Hellgren. Doch ein "Gutteil der Einsparungen dürfte über Preissenkungen wieder an die Kunden gehen", so Hellgrens Kollege Theo Kitz, ein
weiterer Personalabbau sei daher "sehr wahrscheinlich". Und das so dringend
benötigte Wachstum bringt der Kahlschlag auch nicht. Zwar macht der Konzern mit
dem geplanten Aufbau eines rasend schnellen Glasfasernetzes bereits auf Zukunft.
Aber für Euphorie unter Investoren sorgen derlei Pläne kaum. Das sei "allenfalls
ein Tropfen auf den heißen Stein", findet ein Branchenkenner.
Was Wunder, daß Beobachter allmählich ungeduldig werden: "Eine klare Wachstumsstrategie", fordert etwa Telekom-Spezialist Frank Rothauge von Sal.
Oppenheim in Frankfurt. "Ricke und seine Mannschaft waren zur richtigen Zeit am richtigen Platz, als die Telekom saniert werden mußte", findet Kitz. "Aber jetzt
müßte umgeschaltet werden, von Kostenabbau auf Expansion."
Doch bislang tappen Investoren in Sachen Strategie weitgehend im Dunkeln. Zur
Erhellung trägt auch der Konzernchef kaum bei. Künftig werde Umsatzwachstum vor
Marge stehen, verkündete der oberste Fernmelder unlängst nebulös. Beobachter
sehen die Ankündigung als Hinweis, daß Ricke – anders als noch kurz zuvor
verkündet – nun doch auf "Akquisitionsmodus" geschaltet hat. Womöglich zu spät:
"Allzu viele Optionen", so Analyst Hellgren, "hat der Konzern nicht mehr."
"Virgin Mobile könnte eine sein", meint etwa der Analyst einer Bank in London.
Doch ein Durchbruch auf dem britischen Markt wäre auch das nicht. "Die Virgin-Mobile-Kunden telefonieren eh über das Netz der Telekom", erinnert Ovum-
Experte Dan Bieler. Und eine Übernahme von KPN könnte die kartellrechtlichen
robleme noch verschärfen. "Dann bräuchten die jemanden, der ihnen E-Plus
abkauft, und in den Niederlanden könnte es auf Grund der starken Stellung
beider Unternehmen auch eng werden", heißt es aus London. Am ehesten halten
Beobachter noch die Wiederaufnahme der Gespräche mit Telecom Italia für möglich. Entsprechende Spekulationen blühen gerade wieder auf. Dagegen spräche jedoch
schon allein die Größe. "Eine Übernahme von Telecom Italia oder KPN würde die
Schulden erneut deutlich nach oben treiben", warnt Analyst Kitz.
Angesichts der jüngsten Entwicklung halten Beobachter einen Strategiewechsel
ohnehin für überfällig: Die Telekom solle sich stärker auf das Breitband-
geschäft konzentrieren und Wettbewerber wie Telefonica oder Vodafone in ihren Heimatmärkten angreifen, meint Experte Rothauge. Der Breitbandmarkt wachse
extrem schnell. "Da können sie auch aus einer schwächeren Position noch was
bewegen." Neben der italienischen Fastweb oder Tiscali würden auch der franzö-
sische DSL-Anbieter Iliad gut passen. Aber auf diese Kandidaten dürften auch
schon andere ein Auge geworfen haben.
Rickes zögerliche Haltung jedenfalls kann sich der Konzern nicht mehr allzu
lange leisten. "Ein bißchen mehr Aggressivität", findet denn auch Analyst Kitz,
"würde nicht schaden." Sonst kommt wieder einer wie Cesar Alierta und schnappt
der Telekom den besten Happen vor der Nase weg. Und Preiskämpfe mit Easymobile,
Simply oder Teldafax wird der Konzern auf Dauer wohl kaum gewinnen können.""