Die US-Skandalnudel Tyco auf dem Weg zur Solidität
Wenn von den großen Firmenskandalen der vergangenen Jahre in den USA die Rede ist, fallen sofort vier Namen: Enron, Worldcom, Adelphia und Tyco. Enron lebt nur noch in Gerichtsprozessen weiter, Worldcom häutete sich zu MCI Communications, und die bankrotte Adelphia steht kurz vor dem Verkauf und der Ausschlachtung durch zwei Konkurrenten.
PORTLAND. Nur Tyco ist immer noch Tyco und obwohl seine früheren Chefs derzeit in New York zum zweiten Mal vor Gericht stehen, hat sich der Kurs des Konglomerates seit dem Skandal im Jahr 2002 kräftig erholt.
Trotz einer Schwächeperiode seit Anfang des Jahres ist Tycos Marktkapitalisierung mit 59 Mrd. Dollar immer noch drei Mal so groß wie die von General Motors. Analysten glauben, dass in der Tyco-Aktie, die jüngst um 29 Dollar notierte, wieder Musik ist. Morgan Stanley bewertet sie mit „übergewichten“ und einem Kursziel von 39 Dollar.
Tyco International ist ein weltweit operierendes Industrie- und Dienstleistungskonglomerat mit Geschäftssitz auf den Bermudas, aber dem operativen Hauptquartier in West Windsor, New Jersey. Tyco hat über 200 000 Beschäftigte und erzielte 2004 gut 41 Mrd. Dollar Jahresumsatz sowie knapp 2,5 Mrd. Dollar Jahresgewinn. Das Unternehmen, das unlängst ihr National Alarm Computer Center verkaufte und als nächstes das Plastikgeschäft mit 9 600 Beschäftigten und 1,7 Mrd. Dollar Jahresumsatz veräußern will, baut unter anderem Elektronik-Bausteine für die Autoindustrie und ist mit der Tochter ADT größter US-Anbieter von Feuer- und Einbruchssicherungsanlagen.
Trotz einer umfangreichen Imagekampagne weckt der Name Tyco in den USA sofort Assoziationen mit dem glatzköpfigen Ex-Chef Dennis Kozlowski und seinen Ausgabenexzessen. Ob Duschvorhänge für 6 000 Dollar, Schirmständer für über 10 000 Dollar oder eine exotische Geburtstagsparty für seine Frau: Tyco zahlte. Auch der frühere Finanzchef Mark Swartz muss sich jetzt in New York vor Gericht verantworten. Er und Kozlowski genehmigten sich Firmenkredite in Millionenhöhe, die sie später – angeblich ohne Zustimmung des Aufsichtsrates – in nicht rückzahlbare Boni umdeklarierten. Werden sie wegen Betruges verurteilt, drohen ihnen bis zu 25 Jahre Haft. Das erste Verfahren endete wegen Verfahrensfehlern ohne Urteil.
Die Nachwirkungen des Skandals beeinträchtigen immer noch die Ergebnisse von Tyco. Im abgelaufenen Quartal, dem zweiten des Tyco-Fiskaljahres, fiel der Reingewinn gegenüber dem Vorjahr um drei Viertel auf 192 Mill. Dollar, obwohl der Umsatz um 6,4 Prozent auf 10,46 Mrd. Dollar stieg. Das Unternehmen stellte 50 Mill. Dollar für mögliche Geldbußen in die Reserven ein. Darüber hinaus litten die Ergebnisse unter steigenden Rohstoffpreisen, einem schwachen Automarkt in Europa und gut 200 Mill. Dollar Abschreibungen auf das Geschäft mit Plastik-Kleiderbügeln.
Der Schock des Skandals hatte jedoch auch seine guten Seiten. Die neue Führungsspitze unter Edward Breen trieb die Umstrukturierung und Straffung des weit gespannten Konglomerates voran. Darauf basiert die Hoffnung der Analysten: Morgan Stanley zum Beispiel rechnet damit, dass sich dies 2005 und 2006 in höheren Gewinnmargen in den verbleibenden Geschäftsbereichen niederschlagen wird.
Tyco selbst nahm die Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr jedoch leicht auf 1,88 bis 1,93 Dollar pro Aktie zurück. Doch die Aussichten für Aktionäre sind nicht schlecht: Mit einem freien Cash-Flow in diesem Jahr von rund 4,5 Mrd. Dollar kann Tyco sich die Jahresdividende von 40 Cents pro Aktie locker leisten. Und auch der neue Chef Breen steht für mehr Solidität: Zwar können sich seine Bezüge von rund elf Mill. Dollar durchaus sehen lassen – Kozlowski-Format haben sie aber bei Weitem nicht.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 12. Mai 2005, 07:04 Uhr
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