ISIN DE000XNG8888
Zeichnungsfrist 04.12.06 - 06.12.06
Erstnotiz 12.12.06
Preisbildung Bookbuilding
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Open BC
Die Idee ist so einfach wie bestechend: Kontakte knüpfen – auf neudeutsch Networking – funktioniert am besten wo? Richtig: im Netz. Das Internet als weltumspannendes Netz ist wie geschaffen für die Idee des 29-jährigen Hamburgers Lars Hinrichs: Jeder Mensch kennt jeden beliebigen anderen Erdenbürger über durchschnittlich sechs Ecken, wie US-Forscher behaupten – das sogenannte Kleine-Welt-Prinzip. Das müsste sich doch auch für das Anbahnen, Vermitteln und Pflegen von Geschäftskontakten nutzen lassen.
Tut es auch. Carsten Lohmann, interner Managementberater bei BASF (Xetra: 515100 - Nachrichten) in Ludwigshafen, ist einer von knapp 1,5 Millionen registrierten Nutzern der Onlineplattform Open BC, die im Zuge des Börsengangs gerade in Xing umbenannt wird. „Ich habe schon wertvolle berufliche Kontakte dort knüpfen können“, sagt Lohmann, „wir haben dort beispielsweise Experten zum Thema Value Based Pricing aus anderen Unternehmen und Branchen gefunden. Das wäre ohne eine solche Internetplattform viel komplizierter und langwieriger gewesen.“
Dazu hat der BASF-Manager die Suchfunktion von Open BC genutzt. Darüber können zahlende Mitglieder nach Experten in speziellen Themenfeldern, Interessengruppen, aber auch nach Absolventen gewisser Unis oder Mitarbeitern und Ex-Angestellten bestimmter Unternehmen suchen. Jeder Nutzer legt dazu seine Kontaktseite mit Namen, Telefonnummer, E-Mail-Adresse und – falls gewünscht – Foto an. Dort nennt er seine Expertisen und beruflichen Interessen. Unter „ich biete“ hat BASF-Mann Lohmann zum Beispiel „Change Management“ oder „Myers-Briggs-Idicator“ hinterlegt – schon recht speziell. Andere Nutzer nennen nur vage » „Marketing“ oder „Rechnungslegung.“ Leute, die nach Experten für Change Management suchen, finden unter anderem Lohmanns Seite und können ihn ansprechen. Unter „ich suche“ nennt der Berater Felder, auf denen er Zusammenarbeit sucht. „Diese gezielte Suche ist populär“, sagt OpenBC-Gründer und Vorstandschef Lars Hinrichs, „das für unsere Nutzer wertvollste Werkzeug aber ist das gegenseitige Vorstellen und Einladen“.
Nach dem Motto „Ich kenne einen, der einen kennt“ können Mitglieder in den Kontakten ihrer eigenen Kontakte nach interessanten Geschäftspartnern suchen. Hat A beim Stöbern in den Kontakten seines Bekannten B Herrn C gefunden, der ihn interessiert, bittet er B, ihm C vorzustellen. „Networking konsequent zu Ende gedacht“, nennt das Hinrichs.
Vor allem Freiberufler wie Grafiker, Berater oder Anwälte nutzen gern die Plattform, weil sie die einfache und kostengünstige Akquise von Projekten und Aufträgen ermöglicht. Viele tauschen sich aber auch nur in Fachgesprächen und Diskussionen aus, ohne dass Geld fließt. Open BC profitiert vom Trend zu befristeten Arbeitsverträgen und zur Projektarbeit statt der Festanstellung auf Lebenszeit: Viele Mitglieder suchen über Xing immer mal wieder neue Jobs und setzen dabei gezielt ihre Kontakte als Referenzen ein. Damit tritt Open BC verstärkt in Konkurrenz zu etablierten Internet-Jobbörsen wie Monster.com und zu traditionellen Headhuntern. „Das Durchschnittsalter unserer Mitglieder liegt bei 34“, so Hinrichs, „das ist karrieretechnisch das interessanteste Alter.“
Wie aber verdient Open BC damit Geld? 13 Prozent der knapp 1,5 Millionen User aus 20 Ländern nutzen die kostenpflichtige Variante; sie berappen dafür 5,95 Euro im Monat. Auf andere Umsatzträger wie etwa Werbung verzichtet Open BC bewusst. Ab etwa 200.000 zahlenden Mitgliedern arbeitet Open BC profitabel, schreibt also seit kurzem Gewinn. Hinrichs: „Wir haben festgestellt, dass die Leute umso mehr bereit sind, zum bezahlpflichtigen Service zu wechseln, je länger sie schon kostenlos Mitglied waren.“
Das wäre ein Indiz, dass die Anreize für den Bezahlservice bei den Nutzern ankommen, das Geschäftsmodell also trägt und dauerhaft Geld abwirft. Das sollte es auch. Denn auch wenn in den USA zurzeit für ähnliche interaktive Webseiten wahre Märchenpreise bei Übernahmen bezahlt werden: In Europa werden die Investoren genauer hinsehen. Der OpenBC-Börsengang ist deshalb auch ein Gradmesser dafür, ob die Internetbranche knapp sieben Jahre nach dem Crash wieder börsenreif ist.
Für die Aktie spricht, dass Open BC der erste seiner Zunft ist, der den Weg an die Börse findet – nicht unwichtig bei der Frage, ob Großinvestoren wie Fondsmanager sich für das Papier erwärmen lassen. Hinzu kommt der unbestreitbare Vorteil, dass das Open-BC-Modell leicht skalierbar ist, das heißt: Der Umsatz lässt sich ohne große Zusatzkosten ausweiten, der Gewinn legt also überproportional zu. Denn Open BC verbreitet sich fast ausschließlich über Mundpropaganda und muss wenig Geld ins Marketing stecken. Analysten schätzen für 2007 rund 20 Millionen Euro Umsatz und knapp 4,5 Millionen Euro Nettogewinn; 2008 soll Open BC 37 Millionen Euro umsetzen und daraus unter dem Strich knapp elf Millionen Euro Nettogewinn erwirtschaften.
Dazu muss aber die geplante Expansion ins Ausland flutschen, und hier gewinnen die Risiken aus Sicht der Anleger an Kontur: Im Ausland treffen die Hamburger auf einen starken Wettbewerber; Linked In ist der weltweit mit Abstand größte Business-Netzwerker mit mehr als acht Millionen registrierten Nutzern. In den USA dürfte Linked In bereits uneinholbar vorne liegen. Auch in Asien und Europa führen die Kalifornier klar; nur im deutschsprachigen Raum liegt Open BC vorne. Immerhin: kein kleiner Markt.
Hinrichs betont, Open BC decke bereits seine Kostenbasis durch den laufenden Cashflow, das Geld aus dem Börsengang also nicht lebensnotwendig ist. Das Unternehmen hat in der Tat sein Wachstum zuletzt aus eigener Kraft finanziert und sogar die 5,7 Millionen Euro aus der letzten Finanzierungsrunde mit dem Kapitalgeber Wellington Partners noch nicht angetastet.
Dennoch ergibt der Börsengang zum jetzigen Zeitpunkt aus Sicht des Unternehmens viel Sinn: Wenn Open BC nicht bald zwei bis drei Gänge hinaufschaltet, läuft es Gefahr, nur gut drei Jahre nach dem Start den Anschluss zu verlieren, da Linked In in vielen Ländern schneller wächst. Die geschätzt rund 40 Millionen Euro aus dem Börsengang will Hinrichs auch in den Kauf kleinerer Wettbewerber stecken.
Ob das reicht, werden die kommenden zwei Jahre zeigen; schließlich hat Hinrichs selbst die Losung ausgegeben: „Bis 2008 wird es nur noch einen geben.“