Ob sie stimmt???
14.12.2002 11:23
Kurswechsel von Rot-Grün
Regierung lockt Steuerflüchtlinge
Schröder und Eichel wollen mit einer Zinssteuer den Streit über die Vermögensabgabe endgültig beenden.
Von Oliver Schumacher
(SZ vom 14.12.2002) - Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel (beide SPD) wollen mit einem Befreiungsschlag den innerparteilichen Finanzstreit beenden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) will die Regierung eine neue Zinssteuer einführen. Diese soll Steuerflüchtlinge motivieren, ihr Schwarzgeld wieder in Deutschland anzulegen und zu versteuern.
Berlin will mit diesem überraschenden Kurswechsel auch einen Alleingang in Europa beginnen. Die erhofften Milliarden-Einnahmen kämen auch den Ländern zugute, womit sich eine neue, umstrittene Vermögensteuer erübrigen würde.
Eine Steuer, die alle wollen
Voraussichtlich Anfang nächster Woche wollen Schröder und Eichel nach SZ-Informationen der Öffentlichkeit die Pläne für die neue Zinssteuer präsentieren, die im Fachjargon „Abgeltungssteuer“ genannt wird. Regierungskreise bestätigten, dass ein Kurswechsel in dieser wichtigen steuerpolitischen Frage beschlossene Sache sei.
In den Koalitionsverhandlungen hatten sich SPD und Grüne lediglich auf eine Spekulationssteuer verständigt. Diese 15-prozentige Pauschalsteuer hätte nur für Gewinne aus Wertpapiergeschäften gegolten.
Die neue Zinssteuer geht viel weiter: Sie soll auf Kapitalerträge jeglicher Art erhoben werden. Opposition, Kreditwirtschaft, aber auch der grüne Koalitionspartner fordern schon seit längerem die Einführung einer Abgeltungssteuer. Genannt wird immer wieder ein Steuersatz von 25 Prozent.
„Ausreichende Einnnahmen“
In dieser Frage hatte sich die Regierungsspitze am Freitag angeblich noch nicht festgelegt. Es hieß lediglich: „Der Steuersatz muss so niedrig wie möglich sein, um die Attraktivität der Geldanlage in Deutschland zu erhöhen. Gleichzeitig muss der Satz aber so hoch sein, dass er ausreichende Einnahmen garantiert.“
Eichel hatte sich lange Zeit gegen eine Abgeltungssteuer gesträubt, gab seinen Widerstand jetzt aber auf. Zur Begründung hieß es, in Brüssel sei trotz jahrelanger Verhandlungen keine Einigung über eine europaweite Lösung in Sicht. Eichels Verärgerung über die von ihm monierte Blockadepolitik anderer EU-Ländern sitze tief.
Sparerfreibetrag soll bleiben
Aus Sicht der Regierung hätte die neue Steuer auch einen internen Vorteil. Sie könnte den Streit um die Vermögensteuer beilegen. Eine solche Reichensteuer hatte Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) trotz zweier Machtworte des Kanzlers gefordert. Zuletzt hatte der Ministerpräsident aber zu erkennen gegeben, dass er für Alternativvorschläge zur Finanzierung von Bildungsaufgaben offen sei.
Dieses Entgegenkommen erklärte man sich in Regierungskreisen mit den Plänen für die Abgeltungssteuer. Diese neue Abgabe würde sowohl dem Bund als auch den Ländern dringend nötige Einnahmen bescheren.Experten in der Regierung versicherten, dass dabei der bisherige Sparerfreibetrag von 1601 Euro für Ledige (3202 Euro für ein Ehepaar) „nicht angetastet wird“.
Milliarden in Luxemburg und der Schweiz
Bisher müssen die Bürger Zinseinkünfte mit ihrem persönlichen Einkommensteuersatz versteuern und bei ihrer Steuererklärung angeben. Experten schätzen, dass Bundesbürger Gelder in dreistelliger Milliardenhöhe auf Konten im Ausland, vor allem Luxemburg, der Schweiz, Österreich oder den Kanalinseln angelegt haben.
Viele verheimlichen dem deutschen Fiskus diese Kapitalerträge, wodurch dem Staat gewaltige Steuerausfälle entstehen. Dies wird angesichts der aktuellen Haushaltskrise als besonders schmerzlich empfunden.
Keine Abschaffung des Bankgeheimnisses
Mit der Abgeltungssteuer will Rot-Grün versuchen, dieses Kapital wieder nach Deutschland zurückzuholen. Vermögende und besser Verdienende würden sich bei einer Abgeltungssteuer günstig stellen, da diese Abgabe aus Prinzip deutlich niedriger als ihr persönlicher Steuersatz ausfällt.
Finanzexperten gehen davon aus, dass viele Steuerflüchtlinge aus schlechtem Gewissen, Angst vor Strafverfolgung und dem ganz praktischen Grund der Verfügbarkeit ihr Schwarzgeld legalisieren wollen.
Mit der Abgeltungssteuer würden die von Eichel geplanten Kontrollmitteilungen der Banken an die Finanzämter überflüssig. Gegen diese endgültige Abschaffung des Bankgeheimnisses hatte es heftige Proteste gegeben.
Gruß baer45
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