Die Branche der Kreditgeber, die "Zahltag-Kredite" vergeben, wächst schnell. Es handelt sich dabei um hochverzinsliche Darlehen gegen den monatlichen Scheck vom Sozial- oder Versorgungsamt. "Diese Leute bekommen ihr Geld immer, alle 30 Tage, ob es regnet oder die Sonne scheint", sagt William Harrod, ein früherer Manager von Hochzinskreditläden im Großraum Washington, D.C. Zwar dürfen die Behörden keine Stütze oder Rente direkt an Kreditgeber überweisen. Aber diese haben ein Schlupfloch gefunden, indem sie mit Banken zusammenarbeiten, die das Geld ihrer Schuldner an sie weiterleiten. Dann werden Tilgung, Zinsen und Gebühren abgezogen und die Restbeträge den meist alten Menschen ausgezahlt. Im Ergebnis haben Kredithaie, die effektive Jahreszinsen von 400 Prozent und mehr berechnen, fast unbeschränkte Kontrolle über die Finanzen ihrer Kundschaft. "Diese Industrie bietet bequemen Zugang zu kleineren Geldbeträgen", sagt Tommy Moore, Vizepräsident der Community Financial Services Association of America, die rund 60 Prozent der Zahltag-Kreditgeber vertritt. Zum Kundenkreis sagt er: "Es wäre sicherlich nicht in Ordnung, bei der Kreditvergabe je nach Einkommensquelle zu unterscheiden."
Kritiker halten dagegen, dass der Kundenkreis der Empfänger öffentlicher Zahlungen nicht nur zuverlässig, sondern auch besonders lukrativ ist. Denn ältere oder invalide Menschen müssen meist von geringen Einkünften leben und können daher Kredite nicht rasch zurückzahlen. "Es ist nicht so, dass sie einfach Überstunden machen können", sagt David Rothstein, Analyst des Wirtschaftsforschungsinitiative Policy Matters Ohio. "Diese Leute sitzen in der Falle."
William Harrod war Manager einer Filiale von Check `n Go in einem Sozialwohnungsviertel für Alte und Invalidenrentner in Washington. Er erzählt, seine Vorgesetzten hätten ihn dazu angehalten, alte Menschen als Kunden zu gewinnen. Das habe er gemacht, indem er sich zum Mittagessen auf eine der Bänke gesetzt habe und mit den Bewohnern des Viertels ins Gespräch gekommen sei. Vor einigen Monaten hat er seinen Job wegen Skrupeln hingeschmissen. Harrod schloss sich einer Initiative an, die Zahltag-Kredite bekämpft. Ein Sprecher von Check `n Go, ein Ableger der CNC Holdings in Ohio, die landesweit über 1 300 Filialen betreibt, bestreitet indes, dass man gezielt ältere Menschen anspreche.
Ein Beispiel verdeutlicht den Teufelskreis: Oliver Hummel aus Billings in Montana leidet unter Schizophrenie. Er bekommt eine Invalidenrente von 1 013 Dollar im Monat. 2007 musste sein Auto zur Reparatur, und sein 13 Jahre alter Terrier brachte ihm eine dicke Rechnung vom Tierarzt ein. Hummel nahm einen Kredit von 200 Dollar auf. Wie viele "Zahltag-Schuldner" merkte er schnell, dass er den Kredit nicht zurückzahlen konnte. So ging er zum nächsten Geldanbieter. Innerhalb eines knappen Jahres hatte Hummel acht Kredite von acht Firmen. Die effektiven jährlichen Darlehenszinsen reichten von 180 bis 406 Prozent.
Das Geschäft mit den teuren Kleinkrediten hat sich in den 90er- Jahren rasant entwickelt. Die größte dieser Kreditfirmen, die an der Börse gehandelt werden, ist die Advance America Cash Advance Centers mit Sitz in Spartanburg, South Carolina. Das Unternehmen hat 2 900 Filialen und bilanzierte für die ersten neun Monate 2007 einen Gewinn von 42,9 Mill. Dollar.
Es hilft auch wenig, dass die Empfänger staatlicher Leistungen mehr rechtlichen Schutz als andere Kreditnehmer genießen. Nach Bundesgesetzen dürfen Gläubiger staatliche Unterstützungszahlungen nicht einziehen. Doch das Gesetz greift nicht automatisch: Jennifer Rumph, eine alleinerziehende Mutter mit Behinderung, ging im Dezember 2006 zu Miracle Finance, weil sie ihren Kindern zu Weihnachten einen Computer schenken wollte. In der Filiale wählte sie gleich einen Laptop aus. Der Miracle-Mitarbeiter habe den Preis auf knapp über 600 Dollar beziffert, erinnert sie sich. Am Ende kostete der 600-Dollar-Kredit 1 326 Dollar, Tilgung, Zinsen und Restschuldversicherung. Miracle ließ die 43-Jährige Dokumente unterzeichnen, mit denen sie die Invalidenrente ihres Sohnes von 623 Dollar praktisch verpfändete.
Von der Rente zahlte Miracle Finance der Frau nach Abzug von Zins; Tilgung und Gebühren fortan kaum mehr als 300 Dollar im Monat aus. Jennifer Rumph konnte damit ihre laufenden Rechnungen nicht mehr bezahlen. Die Frau versuchte schließlich, den Computer zurückzugeben. Doch ein Mitarbeiter von Miracle Finance habe ihr gesagt, damit verringerten sich ihre Schulden nicht. Auch ihr Versuch, die Sozialbehörden dazu zu bewegen den Rentenscheck für ihren Sohn an ihre Adresse zu schicken statt zur Bank des Kreditgebers hatte keinen Erfolg. Als sie schließlich mit den Zahlungen in Verzug geriet, verklagte Miracle ihre Kundin.
Kreditnehmer sind gezwungen, vor Gericht zu gehen, um zu ihrem Recht zu kommen. Jennifer Rumph sagt, sie habe das nicht gewusst und außerdem Angst gehabt, das Gericht einzuschalten. Miracle Finance erwirkte einen Gerichtsbeschluss über 1 500 Dollar sowie eine Vorladung, damit die Kundin persönlich ihre Vermögensverhältnisse offen legen musste. Nachdem die Frau zwei Mal nicht erschien, erließ ein Richter Haftbefehl. Jennifer Rumph verbrachte einige Stunden im Gefängnis, bis ein Onkel die 1 500 Dollar aus dem Gerichtsbeschluss zahlte. Miracle Finance lehnte eine Vielzahl von Anfragen nach einer Stellungnahme ab.
Doch vor kurzem kam ein anderer Richter zu dem Schluss, dass Miracle Finance die Rückzahlung des Kredits mit der Invalidenrente nicht erzwingen könne, weil diese Einkünfte gesetzlich geschützt sind. Allerdings schuldet die 43-Jährige fast einem Dutzend anderer Kreditfirmen noch über 5 000 Dollar. "Ich möchte das Geld ja gerne zurückzahlen", sagt die Frau, "aber ich kann es nicht."
Die Probleme in den USA wachsen unaufhörlich
Zinsanstieg
Die Kreditzinsen haben sich in den USA durch die Finanzkrise stark erhöht. Immer mehr Amerikaner haben daher große Schwierigkeiten, ihre privaten Schulden planmäßig abzubauen. Das betrifft vor allem die Immobilien-, aber zunehmend auch die Konsumentenkredite.
Private Darlehen
Allein die privaten Haushalten in den Vereinigten Staaten haben im vergangenen Jahr insgesamt 2 519,5 Milliarden Dollar geliehen. Im Jahr 2000 beliefen sich die Ausleihungen lediglich auf 1 717,5 Milliarden Dollar - das entspricht einem Anstieg von mehr als 46 Prozent.
"Zahltag-Kredite"
Der Bereich der sogenannten Zahltag-Kredite boomt. Diese Mini-Darlehen werden beispielsweise an Alte oder Invaliden vergeben, also an Empfänger öffentlicher Leistungen. Analysten schätzen, dass das Darlehensvolumen an Kleinstkrediten in den USA von knapp 14 Milliarden Dollar im Jahr 1999 auf mittlerweile 48 Milliarden Dollar zugenommen hat. Bei den meisten Anbietern von derartigen Kleinkrediten handelt es sich um kleine Firmen im Privatbesitz.
Quelle: Handelsblatt.com
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