Kommentar der Financial Times Deutschland zu Opel - vorab 18.11.2008
Merkels bunter Teller
Angela Merkel übernimmt in diesem Jahr die Rolle des Christkinds. Noch vor
Weihnachten, so die Kanzlerin, werde sich entscheiden, ob es eine Bürgschaft
für den angeschlagenen Opel-Konzern geben wird.
Eltern erhalten vor dem Fest gern ein bisschen die Spannung aufrecht - auch
wenn die Kinder schon längst wissen, welche Geschenke es geben wird. Und
auch der Opel-Führung dürfte nun klar sein, dass der Konzern bei der
Bescherung nicht leer ausgeht.
Die Bundesregierung dagegen bringt sich mit diesem Signal unter Zugzwang und
gibt zudem die Regie über die Rettungsaktion aus der Hand - obwohl Merkel
noch vor dem Treffen mit den Opel-Managern indirekt zugegeben hatte, dass im
Grunde noch nicht einmal klar ist, wo die Probleme überhaupt liegen.
Opel verlangte öffentlich eine Bürgschaft für den Fall, dass der
Mutterkonzern General Motors (News/Aktienkurs) (GM) in die Insolvenz geht. Das aber ist
angesichts der Rettungsversuche amerikanischer Politiker noch gar nicht
absehbar. Denkbar ist aber, dass Opel auch unabhängig von der Lage des
Mutterkonzerns in Schwierigkeiten gerät, etwa weil sich langfristige
Projekte nicht mehr finanzieren lassen. Merkel und mit ihr eine Reihe von
Ministerpräsidenten haben nun für jede Art von Problemen bei der deutschen
GM-Tochter einen Blankoscheck erteilt. Wollen sie sich vor dem Wähler nicht
unmöglich machen, müssen sie am Ende mit Steuergeldern einspringen.
Diese Zusage mit dem Hinweis zu verknüpfen, es dürfe kein Geld nach Amerika
fließen, ist bestenfalls naiv. Die Unternehmen sind eng verflochten und
interne Zahlungsströme kaum zu kontrollieren. Besonders heikel würde es,
wenn der nun vielerorts geforderte Plan umgesetzt würde, die europäischen
GM-Töchter aus dem Konzern herauszulösen. Eine solche Transaktion könnte
angesichts der derzeitigen Marktlage wohl nur der Staat leisten - indem er
GM seine Europaanteile abkauft.
Der Fall Opel liefert einen üblen Vorgeschmack auf das, was Deutschland im
Wahljahr zu erwarten hat. Gierig stürzten sich Merkel und ihr
SPD-Gegenspieler Frank-Walter Steinmeier auf die Gelegenheit, den Retter des
Traditionskonzerns zu geben. Den größten Erfolg erzielt nach dieser Logik
der Schnellste und nicht der, der die Sache am besten durchdacht hat.
Entsprechend eilig hat es Hessens Landeschef Roland Koch, der im Januar zur
Wiederwahl steht.
Die Große Koalition, die in ihrer bisherigen Amtszeit viel Glück in Form
eines geerbten Aufschwungs hatte, wird für den Rest der Legislaturperiode zu
einer Getriebenen. Auch wenn Merkel nicht müde wird, Opel als öEUR singulären'
Sonderfall zu verkaufen: Wer glaubt, dass es bei dieser Rettungsaktion
bleibt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.