www.n-tv.de/wirtschaft/...noch-zu-retten-article25223592.html
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Das müsste jetzt passieren
Ist der Autostandort Deutschland noch zu retten?
Ein Gastbeitrag von Ferdinand Dudenhöffer
Die Krise der deutschen Autoindustrie ist eine Krise des Industriestandorts Deutschland. Dessen Niedergang ist auch auf eine aktionistische Politik zurückzuführen. Die Lösung ist theoretisch einfach und dennoch politisch kaum umsetzbar.
Es ist nicht mehr zu übersehen: Deutschland und seine Vorzeigebranche, die Autoindustrie, sind ein Sanierungsfall. Volkswagen hat einen 30-jährigen Beschäftigungspakt gekündet. Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigung stehen auf der Agenda. Das wichtige China-Geschäft der Autobauer bröckelt, die großen Schecks aus China an die Zentralen in Deutschland sind Geschichte. Die Zulieferer Bosch und ZF bauen in großem Stil Jobs ab. Continental scheint regelrecht zu "zerbröseln". Die Kette setzt sich fort zu den Maschinen- und Anlagenbauern. Was läuft falsch? Wie kommt Deutschlands Industrie aus der Bredouille?
Fakt 1: Deutschland laufen die Kosten davon. Weltweit hat Deutschland die höchsten Energiepreise, brüchige Infrastrukturen treiben die Logistikkosten nach oben, hohe Lohnkosten und hohe Unternehmenssteuern wirken wie Bremsklötze, wir sind gefangen in überbordenden gesetzlichen Auflagen, die die Verwaltungskosten zusätzlich steigern, sowie in Politikversprechen, die gekippt werden und teure Fehlinvestitionen auslösen. Die Elektromobilität ist ein trauriges Beispiel, aber bei Weitem nicht das einzige.
Fakt 2: Die Nachfrage lahmt. Tesla und die Chinesen haben der Emotionalität und Überlegenheit der deutschen Autos den Vorsprung geraubt. Wir sind vergleichbar geworden, und wer vergleichbar ist, hat ein Problem, zu hohen Preisen zu verkaufen.
Um aus dieser bedrohlichen Lage herauszukommen, braucht es eine neue Stärke bei den Produkten und beim Eindämmen der Kosten.
Schauen wir uns die Kosten an: Ein Großteil unserer fehlenden Kostenwettbewerbsfähigkeit liegt in aktionistischer Politik. Ja, die Löhne sind hoch. Aber wir sterben nicht an den Löhnen, sondern einer chaotischen Energiepolitik, einer zerstörten Logistikinfrastruktur, an einem Steuersystem, das Unternehmen überfordert, an einem Datenschutz, der uns verbietet, die wichtigste Ressource für digitale Innovationen zu nutzen, an Regulierungen aus Brüssel und Berlin. Man könnte das alles ändern, aber es fehlt der Glaube, dass wir das in unserem System schaffen.
Über allem schwebt Niedersachsen mit seinem aus der Zeit gefallenen VW-Gesetz und seinen VW-Stammaktien. Die Landesregierung im Verbund mit der starken IG Metall hält das Unternehmen unter einer Art Käseglocke, die notwendige Anpassungen verhindert. Wenn Werke geschlossen werden, dann bitte nicht in Niedersachsen. Mit diesen zementierten Strukturen wird man bei VW keine nachhaltigen Lösungen auf der Kostenseite finden und das Unternehmen nie auf einen langfristig stabilen Weg bringen können.
Schauen wir nun auf die Innovationsseite, also die Werthaltigkeit und Begehrlichkeit unserer Autos: Die deutsche Autoindustrie hat einen selbst aufgebauten "natürlichen Wettbewerbsvorteil" beim Verbrennungsmotor und bei den Fahreigenschaften unserer Autos. Dieser Wettbewerbsvorteil ist nicht über Nacht entstanden, sondern in harter Ingenieursarbeit über 50 Jahre. Aber die Autos von morgen sind elektrisch angetrieben. Die natürlichen Wettbewerbsvorteile der Lithium-Ionen-Batterie sitzen in Asien. Zudem ist das Auto von morgen mehr als nur elektrisch. Die Software und leistungsfähige Rechner machen den Charme des Autos von morgen aus. Das Smart Cockpit mit Entertainment-Funktionen und autonomes Fahren sind Werte, die von den Kunden in China geschätzt werden. Huawei, Tencent, Baidu, Nvidia oder Google prägen das Auto von morgen.
In Deutschland gibt es solche Technologie-Riesen nicht. Und warum? Weil wir aktionistisch sind. Weil sich Industrie-Politik im Produzieren von Schlagzeilen und Politik-Marketing erschöpft. Heute Batterie, morgen Wasserstoff, dann mal Corona-Impfstoffe, dann Flüssiggasterminals, dann geklonte Chipfabriken aus den USA in Magdeburg, Schecks für grünen Stahl, Kaufanreize für Elektroautos, die über Nacht wieder gekappt werden oder ein kurzer Wärmepumpen-Hype: Uns fehlt eine Strategie.
Eine Strategie muss mehr sein als kluge Sprüche eines eloquenten Wirtschaftsministers. Strategie bedeutet Langfristigkeit: wenn Batterie, dann über 30 Jahre! Wenn Elektroautos, dann bitte nicht nach drei Jahren das Interesse verlieren! Eigentlich ist es ganz einfach: sich Themen heraussuchen und konsequent verfolgen. So machen es die Chinesen, die Amerikaner und gute Fußball-Mannschaften: Wer sein eigenes System langfristig aufbaut, hat einen Vorteil. Wer ständig den Trainer wechselt, steigt ab.
Theoretisch ist Langfristigkeit nicht schwer. Das Problem liegt in der alltäglichen politischen Praxis. Damit bleibt der Branche vermutlich nur die Chance, sich noch stärker zu internationalisieren und mehr Direktinnovationen in Asien zu tätigen, eben dort, wo Innovationen blühen und die Kosten nicht davonlaufen. Die Aufgabe der Autoindustrie ist es nicht, den Standort Deutschland zu retten. Die Aufgabe der Autobauer und Zulieferer ist es, nachhaltige Unternehmen aufzubauen.